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Nachrichten > Kultur und Bildung

Misa a Buenos Aires


(Fotos: Thomas Wörner)

(bro) (khm) Am Sonntag, 13. November, fand in der katholischen Pfarrkirche St. Johannes Nepomuk ein ganz besonderes Konzert statt - nämlich die Tangomesse "Misa a Buenos Aires" von Martín Palmeri.

Tanzmusik als Musica Sacra? Manche Eberbacher Kirchenmusikfreunde dürften damit nicht unvertraut sein, gab es doch schon in derselben Kirche, mit derselben Kantorei und unter Leitung von G. J. Rumstadt 1987 eine Aufführung des Tanzoratoriums "Schöpfung - Sündenfall -Verheißung“ von Harald Heilmann, geb.1924, der in Brombach lebt.

Aber Messe und Tangoklänge, Musik also zu einem bis heute unverwüstlichen 'Gesellschaftstanz' - Damen mit 'high heels' und Herren, die sich in Schale geworfen haben? Gibt es doch über ihn, der 2009 auch Weltkulturerbe geworden, nicht nur Schmeichelhaftes: Aufgekommen um 1880 in den finsteren Vorstädten von Buenos Aires - musikalisch ein Gemisch von spanischen, kreolischen und italienischen Elementen - mit deutschem Beitrag, dem typischen Begleitinstrument des Bandoneons, dem von dem Krefelder Musiklehrer Heinrich Band 1845 entwickelten Schwesterinstrument des Akkordeons mit Knöpfen. Den Tango tanzten zu Anfang ’Asoziale’ (Taschendiebe, Einbrecher, Schläger), die am Sonntagnachmittag für ein paar Stunden das Elend ihres Alltags vergessen wollten. Die Texte handelten von Liebeskummer, Tod, bescheidenem Glück, auch sozialem Protest: »Einen traurigen Gedanken, den man tanzen kann« wurde er genannt. Dabei kann durchaus der Gedanke aufkommen, dass der Tangoklang für eine Messe angemessen sein könne, da auch sie mit der sündhaften, erlösungsbedürftigen Menschheit zu tun habe und weniger mit den pharisäisch Überheblichen. Nach Europa kam zum Entsetzen der Moralhüter der Tango vor dem Ersten Weltkrieg. Papst Pius X. (1903-14), selbst sportbegeistert - er förderte Turnen und Sport, sympathisierte mit der Olympischen Idee - empfahl den Gläubigen, es doch lieber mit der Furlana, einem nord-italienischen Volkstanz, zu versuchen und verbot den Tango. (n. J. v. Uthmann, FAZ, 16.11.1982, Nr. 266). Das Eberbacher Tangomesse-Werbeplakat mit Tangotanzpaar als Hintergrundblickfang, ästhetisch zwar gelungen, widerspiegelte doch noch das damals Befremdende, von dem es im Tanzstundendeutsch heute naiv sachlich heißt “Tanzhaltung eng und in gutem Kontakt. Jeder Partner greift etwas weiter als sonst um den anderen”, was aber auch schon anzüglich umschrieben wurde mit “vertikaler Ausdruck eines horizontalen Wunsches“.

Trotz den so aufkommenden Vorbehalten muss der Hörer einer 'Tangomesse' letztlich nur das beachten: Sinn und Würde der Messe, dieses Herzstücks katholischer Kirchenmusik, ist die eine, die wichtigste Seite davon. Die andere ist die angemessene, musikalisch würdige Einkleidung des Messegehalts in die Musiksprache der jeweiligen Zeit. So gibt es Messen in der des Barocks, der Wiener Klassik, der Romantik und der Moderne, also warum nicht in der (süd)amerikanischen Musiksprache, die sich in Tango, Ragtime entwickelt und zu der parallel die christlich afroamerikanische Gospelmusik sich gebildet hat. Zudem kann man bei dieser hier ebenso kühnen wie gut gelungenen Zusammenfügung von Messetext und Tangoklang als musikalisches Vorbild den großen argentinischen Komponisten und Bandoneonvirtuosen Astor Piazzolla (1921-91) ausmachen, der, ausgerüstet mit einem Musikstudium in Paris (bei Nadia Boulanger), einer neuen Form, dem Tango Nuevo, sich zuwandte, welcher sich von dem sentimentalen, in den Vergnügungsvierteln von Buenos Aires entstandenen Paartanz des üblichen Tangos deutlich unterschied. Dieser Tango Nuevo war vor allem zum Hören da und eine über den Gesellschaftstanz hinausführende Kammermusik mit konzertanten und hochvirtuosen Zügen. Piazzollas ’Grand Tango' (1982), dem Cellisten Mstislaw Rostropowitsch gewidmet, war 2014 z. B. bei einem Eberbacher Kunstfreundekonzert zu hören.

Die etwa 40 Minuten dauernde Tangomesse ’Misa a Buenos Aires’ von Martín Palmeri, uraufgeführt 1996 daselbst, wurde in der Eberbacher katholischen Pfarrkirche in italienischer Lateinlautung dargeboten von Diana Haller, Stuttgart, ebenso lyrischem wie dramatischem Mezzosopran, dem wohl eingeübten Chor der Katholischen Kantorei, Wolfgang Weniger (Bandoneon), der einen orgelmäßig vollen Klang virtuos zu entwickeln wusste, von Martín Palmeri, dem Komponisten, souverän am Klavier, dem perfekt musizierenden Janus-Ensemble Freiburg (Streichquintett mit zwei Violinen, Viola, Cello, Bass) und Bezirkskantor Severin Zöhrer (Einstudierung, Leitung) als dem 'spiritus rector' des Ganzen.

Zwischen Teile der Messe waren fünf Kompositionen eingeschoben und streckten die Konzertdauer sinnvoll, da sie auf die konzertante Tangomusik überzeugend und gewinnend hinwiesen. Darunter eine Komposition von Palmeri 'Sobre el verano' (Über den Sommer) und vier der bekanntesten Musikstücke Piazzollas wie 'Adiós Nonino' (Lebwohl, Großväterchen) auf den Tod seines Vaters, 'Oblivion' (Vergessen, Vergänglichkeit) ' und ''Ave Maria', beide aus einer Filmmusik, dazu die 'Milonga (Vorläuferform des Tango) del Angel' (Tanz des Engels), wobei der Engel den von Piazzolla so umsorgten Tangotanz bedeutet haben soll. Das Janus-Ensemble nennt sich nach dem doppelköpfigen römischen Gott der Stadttore, welcher für Durchlass und Grenzüberschreitung steht und so auch für einen Übergag von der europäischen Kunstmusik in die anderer Welten stehen mag. Man musizierte in verschiedenen Besetzungen meist mit Violine, Bass, Bandoneon und Klavier und immer mit höchster Meisterschaft, z. B. unter souveräner Beherrschung aller Streicherkünste bis hin zum perfekten col-legno-Spiel (mit dem Bogenholz) und in den höchsten Lagen. Stellvertretend für alle Ensemblemitglieder geltend, stehe die Bewunderung für das hinreißend rhythmische und makellos virtuose Violinspiel der Primaria Sarah Immer, die mit 'high heels' und Haare bändigendem 'Dutt' - beides nicht unwichtig bei temperamentvollem Spiel - eine 'Tangogeigerin par excellence' selbst hätte sein können.

Zum Hauptwerk des Abends: Im Stil des Tango Nuevo komponiert, meidet die Misa a Buenos Aires Atonalität, bedient sich aber gekonnt älterer Kompositionsverfahren wie u. a. der Kombination von Homophonie (Melodie mit Begleitung) und Polyphonie (selbständige Einzelstimmen), vergleichbar z. B. der 'Ouvertüre' zu Händels 'Messias (Grave und Allegro moderato einer Fuge) - zu hören am ersten Advent mit der Evangelischen Kantorei. Zum Messebeginn, dem Kyrie, der Erbarmensbitte, erklang so zunächst ein durchaus traditioneller, stimmwuchtiger Einstieg, nach dem dann kontrastierend der Tangorhythmus von der Instrumentalbegleitung programmatisch kurz und kraftvoll vorgestellt wurde, welcher wie der Ragtime (ragged time - zerrissenes Zeitmaß, Takt) eine stark synkopierte, die Taktgrenzen oft verwischende Melodielinie bildet, die aber mit einer taktregelmäßigen akzentuierenden Begleitung unterlegt ist. Darauf das Polyphonische: eine vierstimmige Fuge, die auch durch ihre schwungvolle Melodik den in Fugen geübten Choristen unter ihrem Dirigenten offensichtlich gefiel. Dem drängenden Tangorhythmus der Fugenmelodie und der Begleitung waren die Sänger also durchaus gewachsen, zumal der Tango- und Grundrhythmus von Bandoneon (W. Weniger), Klavier (M. Palmeri) und den Streichern des Janus-Ensembles gekonnt eingeleitet waren und stabilisierend weitergeführt wurden. Dieser Rhythmus, dem musikalischen Empfinden genehm und, gut vom Chorleiter hier einstudiert, war merklich verinnerlicht, wie auch entsprechende Gestik der Sänger es erkennen ließ. Im Gloria, dem Lobgesang zur Verherrlichung von Gott und Christus, wurde vom Chor und den Instrumentalisten die Kontraste aufzeigend gesungen und musiziert. Den in der Mitte stehenden Abschnitt, der sich von den punktierten Rahmenteilen durch große Kantabilität abhebt und der von Jesus, dem Opferlamm ,spricht, “das die Sünden der Welt trägt“, sang die Sopranistin Diana Haller kraftvoll mit klarer, tragender Stimme. Nachdem der Chor diesen so sanglichen Teil mit seinen Koloraturen einfühlsam aufgenommen hatte, kontrastierte damit umso mehr der marschartig punktierte Schluss. Es folgte das Credo, längster Abschnitt, da er nicht das Apostolische Glaubensbekenntnis enthielt, sondern das ungleich längere und fast alle christlichen Kirchen der Welt verbindende von Nizäa-Konstantinopel. In ihm hatte der Chor die Glaubensätze meist unisono zu intonieren, wurde aber von den Instrumentalisten mit einer wohlklingenden Begleitung untermalt. Der Dirigent nutzte bei der Deklamation die vielen Gestaltungsmöglichkeiten im Bezug auf Tempo mit Verlangsamung (rallentando), mehr Bewegung (Più mosso), Beschleunigung (Sempre accelerando) und Dynamik durch Tonstärkensteigerung (sempre crescendo) und verschaffte damit diesem “erzählenden Text“ viel Lebendigkeit und Abwechslung. Hervortrat im Satzverlauf das Moderato mit dem “Incarnatus est“ (Ist Fleisch geworden durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden), sinnvoll einer Sängerin zugewiesen, die hier durch einfühlsame und melodische Gestaltung beeindruckte. Dazu kam die gelungene textempfindliche Wiedergabe einiger Stellen: z. B. des “Crucifixus est - Er wurde gekreuzigt“ durch die vielen schmerzlichen Wortwiederholungen und weiter das fugierte, wie erlösend wirkende Allegro “Et resurrexit tertia die“ (Und ist auferstanden am dritten Tag), wo der Dirigent in beschwingendem Gestus den Chor die Auferstehungsfreude, Jesu Himmelfahrt und sein Sitzen zur Rechten Gottes in vielen Wiederholungen froh, lebhaft und siegesgewiss ertönen ließ. Das (Ter)Sanctus, die Heiligrufe an Gott, die Im Gottesdienst vor der Wandlung stünden, eröffnete, einschmeichelnd ein vom Komponisten selbst vorgetragenes, wohlklingendes Klaviersolo, bevor Diana Haller als Vorsängerin des Chores mit Innigkeit das Sanctus Dominus Deus Sabaoth vortrug, das dann Chor und Instrumente wohlklingend zu Ende brachten. Desgleichen sang die Sopranistin im Benedictus (qui venit in nomine Dei), das nach der Wandlung käme, zusammen mit dem Chor, den sie solistisch einleitete, den 'Lobpreis Jesu'. Das Agnus Dei (, qui tollis peccata mundi) - Lamm Gottes(, der du hinweg nimmst die Sünden der Welt), als Begleitung zur Brotbrechung gedacht, mit klangvollem Bandoneonvorspiel und kontrapunktischer Choreinleitung brachte mit dem “Dona nobis pacem - Gib uns Frieden“ erneut eine ausgedehnte Fuge, die durch Getragenheit des Vortrags sich von der Kyrie-Fuge absetzte. Die vielen Wiederholungen, die fürs Brotbrechen in einem Gottesdienst nötig gewesen wären, erlaubten es dem Komponisten damit erneut, seine Fähigkeiten zur musikalischen Verarbeitung (Fugierung, Kanonbildung, kontrapunktische Themenüberlagerung) unter Beweis zu stellen, und dem Chor und dem Dirigenten, dies klangvoll zu zelebrieren.

Nach den im Pianissimo verklingenden Schlusstakten bewundernde Stille, dann verdienter, begeisterter Beifall und 'standing ovation' durch das die Kirchebänke völlig füllende Publikum für ein außergewöhnliches Konzert und die Leistung der Ausführenden, damit verbunden auch der besondere Dank an den Dirigenten Severin Zöhrer und den Pianisten und Komponisten Martín Palmeri. Als Zugabe noch die Wiederholung des letzten Teils des Credos.

15.11.16

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