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Nachrichten > Kultur und Bildung

In der Michaelskirche erklang Musik aus dem Weihnachtsoratorium


(Foto: Hubert Richter)

(cr) (khm) Wer die originäre Art einer Kantatenaufführung aus J. S. Bachs Weihnachtsoratorium (wieder) erleben wollte, dem wurde dies - wie traditionell alljährlich in Eberbach jeweils am zweiten Weihnachtsfeiertag - auch dieses Jahr geboten.

Zu hören war am 26. Dezember im Rahmen eines musikalischen Gottesdienstes in der Evangelischen Michaelskirche die zweite der sechs Kantaten von J. S. Bachs "Oratorium welches die heilige Weynacht über in beyden Haupt-Kirchen in Leipzig musiciret wurde anno 1734", und zwar damals "Am 2.Heil. Weyhnachts-Feyertage", wie es in Bachs Zeit bei den Gottesdienstanzeigen anno 1734 geheißen hat, wobei damals unser heutiger "Heiliger Abend" (24. Dezember) der erste der damals drei "Heil. Weynachts-Feyertage" gewesen war. Es war somit unser heutiger "erster Weihnachtstag" (25. Dezember) damals der "zweite Weihnachtstag mit zweiter Bachkantate" und unser heutiger "zweiter Weihnachtstag (26. Dezember) mit zweiter Bach-Kantate" damals der dritte Weihnachtstag.

In der Michaelskirche sangen und musizierten die Eberbacher Kantorei, die Solisten Sarah Kuppinger (Sopran), Astrid Bohm (Alt), Fabio Freund (Tenor), Lorenz Miehlich (Bass) und die Kurpfalzphilharmonie Heidelberg, Leitung und an der Orgel Bezirkskantor Andreas Fauß, der den musikalischen Teil des Konzertgottesdienstes einleitete mit einem Pastoral-Präludium des Prager Organisten und Orgeldozenten Karl Franz Pitsch aus dessen gleichnamiger Sammlung op. 7,1 "Andante con moto / Mit durchdringenden, doch nicht schreienden Stimmen", das sich als passende Vorbereitung zur lebhaften "Sinfonia-Einleitung" aus Bachs zweiter Kantate empfehlen konnte. Ausgewählt war diese aus den drei ersten Kantaten des Oratoriums, die von der Weihnachtsgeschichte in engerem Sinne (Geburt Jesu - deren Verkündigung an die Hirten - deren Gang nach Bethlehem) handeln. In der vierten Kantate geht es um Jesu Beschneidung und Namengebung (Neujahrstag). Die fünfte und sechste Kantate (Sonntag nach Neujahr und Epiphaniastag/ Fest der Erscheinung, 6. Januar) handeln von den drei Weisen / Königen aus dem Morgenland sowie von König Herodes und seinen Nachstellungen zum Jesus-Kind. Die erste Kantate war übrigens 2022 auch im zweiten Weihnachtsgottesdienst zu hören gewesen.

Die liturgische Gestaltung oblag Pfarrer und Chorsänger Gero Albert, der entsprechende Lieder auswählte: Herbei, o ihr Gläub´gen - Adeste fideles - Singet dem Herrn, alle Welt - Freuet euch, ihr Christen alle (GB 45 - Psalm 96 - GB 34). In seiner Predigt gab er eine fundierte Betrachtung der Kantate und machte dies zum Leitfaden der Predigt, ausgehend von dem Gedanken, in der Kantate stelle sich eine Berührung und Verbindung von Himmlischem und Irdischem dar, was man leitbildartig besonders in der einleitenden Sinfonia vorgebildet sehe.

Nach den Gemeindeliedern erklang dann auch diese zweite Kantate eröffnende Sinfonia, die schönste instrumentale Komposition Bachs, wie man meint. Zu diesem reinen Orchesterstück von erlesener Schönheit sei wieder erwähnt, was Albert Schweitzer (J.S. Bach, Leipzig 1908 / Ausg. 1942, S. 677 - 679) über sie überzeugend schreibt: Man erlebe in der zweiten Kantate (Verkündigung des Engels an die Hirten) in der Eröffnungsmusik “Sinfonia”, dem einzigen rein instrumentalen Stück im Oratorium beim Zuhörer "eine gewisse Enttäuschung". Statt eines zu erwartenden, sanften Pastorales, das doch den "weihevollen Eindruck des sternenbesäten Himmels" (Ph. Spitta 2,411) erwecken müsse, das er nach der Hirtenerzählung doch erwarten durfte, höre er "etwas Unruhiges". Mit diesem eigentlich "äußerst belebten Stück" könne ein Dirigent nur schwer "den Eindruck einer friedvollen Ruhe in der Natur" hervorbringen, wie es etwa in der Pifa, Händels Hirtenweihnachtsmusik aus dem "Messias" geschehe. Es sei also durchaus möglich, dass Bach diesen Eindruck gar nicht habe hervorbringen wollen. Schweitzer deutete daher die Sinfonia eher als einen Prolog, in dem in einer Art von musikalischer Szene Engel- und Hirtenchor, himmlischer und irdischer Bereich in zwei gegenübergestellten Themen miteinander abwechselnd, innig, aber herzhaft musizierten, in dem der schwebend schwingende Siciliano-Rhythmus (12/8 Takt, wiegender Dreierrhythmus, gelegentlich punktiert) den verzückten Engeln (Streichern und Flöten) und die Schalmeienklänge der Oboen) aber den gläubigen Hirten zukämen. Bei aller gebotenen Vorsicht vor programmatischer Auslegung wird man also wohl auch hier die Sinfonia als Prolog als wechselchöriges und nicht zu schleppendes Musizieren der verzückten himmlischen Engel (Streicher und Flöte) mit den gläubigen irdischen Hirten darstellen (n. A. Dürr, Weihnachtsoratorium, München, 1967, S. 38-40). Eine ältere Deutung ging davon aus, es handele sich in diesem "unaussprechlich feierlichen Stück" um die "ohne Schwierigkeit sich vereinigenden Gegensätze: Lieblichkeit von Idylle und Ernst der sternklaren Winternacht" als Stimmungshintergrund für die Sinfonia (n. Ph. Spitta, Bach Bd. 2, Leipzig1880, S. 411). Schweitzer (S.678) wollte, dass Flöten und Geigen schwungvoll herauskommen, wenn sie das fröhliche Fiedeln der Engel wiedergeben sollen, jedenfalls dürfe der Sinfonia ihre Lebendigkeit nicht genommen werden. Die Eberbacher Darbietung dürfte sich auf der Schweitzer-Linie befunden haben.

In der beschwingten zweiteiligen Tenorarie “Frohe Hirten, eilet, eh´ ihr zu lang verweilet, eilt das holde Kind zu seh´n!” mit Fabio Freund konnte der Zuhörer bei der Ausführung der oft und reichlich vorkommenden virtuos zu absolvierenden und von den Sängern allseitig gefürchteten Koloraturen, die den Sinn der Textworte - etwa “Freude” und “laben” - geradezu in "wortgebundene" Musik "übersetzten", eine Ahnung von den stimmtechnischen Anforderungen an einen Bach-Sänger zeigen. Bei diesem Belcanto (virtuosen Gesangsstil) hat man schon bei dieser Arie von geradezu "virtuosen Eskapaden" gesprochen. Die ebenbürtige Begleitung durch die Flöte und die Schwerarbeiter der Continuogruppe als unermüdlich immer sicheres Fundament wirkten aber doch beschwingt und mieden dicken Klang. Hier wäre Evangelist Lorenz Miehlich (Bass) zu nennen, der sicher und klangvoll die Evangelienworte vortrug, und Sarah Kuppinger, von der man die Verkündigung des Engels "Fürchtet euch nicht ..." (Lukas 2,10-11) in jugendlichem Sopranklang hörte.

Die Bewunderer des Oratoriums erwarteten wohl gespannt das Schlummerlied “Schlafe, mein Liebster, genieße der Ruh´, wache nach diesem vor (für) aller Gedeihen!” für Alt, Streicher und Oboen, eine typische große Da-capo-Arie mit Ritornell-Einleitung und Einschüben (20 Takte. zur Themenvorstellung und auch Erholung der Sängerin), mit wiederholtem Hauptteil, Mittelteil (A-B-´A) - mit zehn Minuten Wohlklang auch das längste Stück des Oratoriums, dessen einzelne Kantaten konzertant etwa 30 Minuten dauern. Die schöne, gut artikulierende und deklamierende Altstimme von Astrid Bohm hatte etwas zu leiden unter der fast ständigen dynamischen Gleichheit. Es schien doch oft beim Vokalstimmeneinsatz "piano und pianissimo" einfach übersehen, wo doch ein "pian piano possibile" gut getan hätte. Sie beeindruckte in dieser zweiten der für eine Kantate üblichen zwei Arien mit einem wohllautenden Timbre etwa in den lang gehaltenen Anfangstakten zu den Worten "Schlafe, mein Liebster" und den schönen Stellen der Arie um den Text "Wache nach diesem vor (für) aller Gedeihen". Um einen Blick auf die Arbeitsweise Bachs zu zu werfen, den Beethoven dessen unerschöpflichen melodischen Reichtums wegen lieber "J. S. Meer" genannt haben soll, sei gesagt, dass dieser auch Melodien haushälterisch mehrfach verwendete und umfunktionierte im so genannten Parodie-Verfahren. Parodie ist in der Literatur das Ersetzen eines ernsten Inhalts durch einen lächerlichen, spöttischen unter Beibehaltung der Form. In der Musik (Barock) ist sie das Ersetzen des Textes eines Tonsatzes durch einen anderen, d. h. die Wiederverwendung dieses Tonsatzes. Der ältere Tonsatz, beim neuen Text wieder verwendet, wird so zu einer “(Neben)-melodie -(παρ)-ωδία - (par)-odía”. Die Arienmelodie hier stammt aus der Huldigungskantate (BWV 213,3 / 1733) für den sächsischen Kurprinzen mit Titel "Die Wahl des Herkules", der "am Scheideweg seines Lebens" stehend, umworben wird von Tugend (Virtus) und Wollust (Voluptas). Deren verführerisches Schlummerlied "Schlafe mein Liebster, und pflege der Ruh. Folge der Lockung entbrannter Gedanken ... “ hat Bach zum Wiegenlied für das Jesuskind so passend umfunktioniert, dass man seine Herkunft kaum verstehen will. Jedenfalls hat Bach eine wunderbare Gelegenheitskomposition damit unvergesslich machen können.

Als bedeutsamster Satz dieses Oratorienteils gilt der monumentale Chor mit den drei Abschnitten “Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen” (Lukas 2,13-14), die abschnittsweise erklingen und am Schluss zusammengefasst zu wiederholen sind. Vom kraftvoll marschartigen ersten Teil, der an eine "Passacaglia" (auf gleichbleibendem Bassrhythmus beruhend, was 20 Mal sein kann) erinnerte, setzte sich der zweite Teil dynamisch (piano) ab mit seinen Stimmen über Orgelpunktstellen (Thematik länger ausgehaltenem und beibehaltenem Grundton). Es folgte der dritte kanonisch angelegte Abschnitt mit ausgeprägtem Thema und jubelnden Koloraturen. Es ist ein vielfältig strukturiertes Gebilde, das die drei Abschnitte nach verschiedenen, gut erkennbaren Satzprinzipien aufbaute. Dies alles zeigte der Chor mit seinen erfahrenen Oratoriensängern und -sängerinnen in großer Konzentration etwa bei dem verlangten kanonartig fugierten Singen, das kaum ein akkordisch-homophones Ausruhen erlaubte und auch besonders in den weitschweifigen "jubelnden" Koloraturen im Schlussabschnitt, was alles der Dirigent Andreas Fauß einzustudieren und vorzuführen hatte angesichts eines Werkes, bei dem die Chorstimmen dominierten, die Instrumente oft mehr begleitende und weniger thementragende Funktion hatten.

Anstelle eines im Oratorium vorherrschenden, schlicht vierstimmigen Schlusschorals gab es hier einen ausgedehnt prachtvollen Schluss, den Bach mit eingeschobener Motivik aus der einleitenden Hirten-Sinfonia hervorhob. Dieser Choral “Wir singen dir in deinem Heer aus aller Kraft: Lob, Preis und Ehr´” auf die Melodie des Luther-Liedes “Vom Himmel hoch” stand schon im pastoralen Siciliano-Rhythmus (12/8-Takt) der einleitenden Sinfonia und dazu hörte man in die Choralmelodie öfters eingeschobene instrumentale Zwischenspiele mit der Flöten- und Oboenthematik aus dieser Eingangssinfonia, so dass hier Anfang und Schluss in hörbar abrundender Entsprechung eine schöne Rahmenform bildeten (M. Walter, .. Bachs Musik, Zürich etc.1999, S.,59-60). Der Chor sang sichtlich und hörbar gern in dieser idyllisch-pastoralen und doch so bewegten Tonsprache.

Am Ende des Gottesdienstes gab es verdienten, begeisterten Applaus für Chor und Orchester, Blumengeschenke für das Solistenquartett und den Dirigenten Andreas Fauss. Zum Dank wiederholte man den gerade in heutiger Kriegszeit so aktuellen Chor "Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden". Den Wert eines solchen konzertant-liturgischen Ereignisses sollte man nicht unterschätzen. Bachs Kantaten waren dereinst gedacht als "Predigtergänzungen in Tönen" zu den damaligen und nunmehr vergessenen Kanzelpredigten. Wegen ihres sicher erfreuenden, bewegenden, vielleicht sogar belehrenden Wesens haben die Kantaten wie eine moderne "biblia pauperum in Tönen" sich auch recht wirkmächtig erwiesen als nachhaltige Vermittler von Glaubensinhalten, denn sie "sprechen direkt zu den Sinnen" und "erreichen bis heute immer noch die Ohren aller" (E. Büning FAZ 15.12.2007, S.38).

28.12.23

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