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Nachrichten > Kultur und Bildung

Premiere für Figaros actionreiche Hochzeit im Schlosshof


Links oben der umgarnte Cherubino (Eva Marti), darunter Figaro (Matias Tosi) mit der Gräfin (Sonja Maria Westermann) und Susanna (Xenia von Randow). Rechts Susanna mit Graf Almaviva (Kai Preußker, r.) und Basilio (Holger Ries). (Fotos: Hubert Richter)

(hr) (khm) Mozarts Oper "Die Hochzeit des Figaro oder Der tolle Tag" basierend auf der Vorlage von Pierre Augustin Beaumarchais (1732-99), im Originaltitel "Le nozze di Figaro ossia La folle giornata” (Libretto von Lorenzo da Ponte, 1749-1838), feierte am Donnerstagabend, 25. Juli, in deutscher und teilweise italienischer Urfassung im Rahmen der Schlossfestspiele Zwingenberg Premiere.

“Figaros Hochzeit” ist zweifellos eine einzigartige Oper, die mit vollkommenster Musik (Mozart) und meisterhaftem Libretto (da Ponte) eine gelungene Koproduktion darstellt, sei es dass die Oper klangüppig, schlanker oder in angenommenem Originalklang mit Non-Vibrato aufgeführt wird, der dabei noch nachgesagt wird, zu ihrer angemessenen Darbietung gehörten lediglich elf gute Sänger (hier neun wegen Doppelbesetzungen) und ein versiertes Orchester (hier unter Rainer Roos) samt Festspielchor (hier einstudiert von Karsten Huschke). In Orchesterhinsicht erlebte man in gewissem Sinne umgekehrte “Bayreuther Verhältnisse”, deren hervorragende Akustik einem vertieften Orchestergraben und dem so verdeckt spielenden Orchester verdankt wird. Hier war es das zurückgesetzte, überdachte und erhöht spielende Orchester, das einen gedämpften Klang bot, jedenfalls die Sänger sich voll entfalten ließ, zumal diese nicht nur auf der vorgelagerten Bühne, sondern auch vom Zuschauerraum aus agierten.

Angesichts der Vielfalt von Deutungsmöglichkeiten dieser Oper fragt sich auch, welche es in Zwingenberg denn sei. Sollte sie in historisierender Inszenierung das sozialkritische Abbild der verfallenden feudalen, aristokratischen Gesellschaft sein, des “ancien régime” also, das seinem Untergang selber applaudiert unterm "Wetterleuchten der Revolution" oder gar mit "révolution en action" im Stück selbst? Sollte sie schlicht und einfach nur gekonnt inszeniertes Intrigenspiel um die Liebe sein, wie man es von einer komischen Oper, einer “opera buffa”, erwartet, die von Mozart und Da Ponte als Rokoko-Charmeuren angerichtet wäre? Oder beansprucht sie - auch als Opera buffa und Charakterkomödie (nicht Klamotte und Klamauk) - Zeitlosigkeit mit oder ohne Kleider von heute? Sie zeigt doch auch Einsamkeit, Verlassenheit, erotisches Begehren, Liebeswirren, verzweifeltes Intrigenspiel ums Glück und rebellisches Aufbegehren von Dienerschaft und Untergeordneten gegen Herrschaft und Übergeordnete, hält einem gar den Spiegel vor. Nach Vorstellung im April und Konzeptionsvorgespräch im Juli mit Matias Tosi, Regisseur und Mozart-Experte, bühnenerfahren - hier in Personalunion auch beeindruckender Figaro-Darsteller - war wohl eine Mischung zu erwarten nach Andeutungen in Medienberichten wie "das wichtigste sei, dass es allen viel Spaß mache, dem Publikum im Hof und uns auf der Bühne", auch dass "Action" ein Leitmotiv sei. Dazu befand Tosi, dass Mozart "hier eine Schnittstelle gefunden habe für politische Kritik bis an die Grenze des Erlaubten". So ergab sich eine wohl dosierte Mischung von frech-vergnüglichem Spektakel nicht ohne allgemein Ernsthaftes zur menschlichen Paarbeziehung und dem Verhältnis von Hoch- und Niedergestelltem, Diener- und Herrschaft, wie es sich zu allen Zeiten stellt. Indes war bei einer Sommerfestspielaufführung auch sicher nicht gefragt, erwartet und beabsichtigt, einen nach modischer Regie-Manier überaktualisierten Schocker mit Weltzerriss im Mozart-Sound zu liefern. Indes Deutungen kommen und gehen. Mozart und sein Librettist bleiben.

Zuerst zur turbulent lebensprühenden D-Dur “Overture“, wie Mozart noch dieses singuläre Orchesterstück nennt, ein Werk mit seinen presto und piano beginnenden Violin- und gefürchteten Fagottläufen, deren wundervolle Klanglichkeit das Orchester unter seinem Dirigenten Rainer Roos vorzüglich in seinem Lustspielcharakter ohne langsamen Mittelteil, ohne einfache Programmmusik sein zu wollen, dahinrauschen ließ. Gewohnt ist man inzwischen, dass diese hinreißende Musik von fünf Minuten Dauer zur vom Publikum spontan mit Beifall beklatschten Präsentation der Sänger/Schauspieler, also zu einem Kurzdurchlauf des Personals dient. Hier ging es noch einen Schritt weiter, als handle es sich um eine bessere Ballettmusik mit schunkelnden und sich wiegenden Choristen und Sängern, vielleicht nicht jedermanns Geschmack, so sehr diese Parade auch Beifall gefunden haben mag.

Unter den folgenden Arien, Duetten, Terzetten beeindruckte erwartungsgemäß Figaros Cavatina "Se vuol ballare, signor Contino“, in der Matias Tosi, ein kraft- und klangvoller Figaro-Bariton, gut die Empörung eines Mannes manifestierte, dem man die Braut wegnehmen will und der in seiner Eifersucht zwischen Loyalität und rebellierendem Aufbegehren schwankt. Dass er die Arie italienisch vortrug, hatte auch noch den Vorzug, dass die verniedlichende, übliche deutsche Übersetzung “Will der Herr Graf ein Tänzchen nun wagen" einem erspart bleibt, wie das auch meist schon durch das aufbegehrendere "den Tanz mit mir wagen" ersetzt wird.
Inhaltlich ist es ein Protest-Rest vom Jahre 1786, der Wiener Uraufführung, stammend aus der von Kaiser Joseph II. 1785 als stellenweise “anstößig“ empfundenen und zur Aufführung verbotenen Opernvorlage, der gleichnamigen französischen Komödie von Beaumarchais (1784), ein Wetterleuchten fünf Jahre vor dem Revolutionsausbruch (1789)? Dort war immerhin von Figaro gegenüber dem Grafen Almaviva ein vorrevolutionäres Rumoren zu hören: “Vous vous êtes donné la peine de naître, et rien de plus – Sie haben sich die Mühe gegeben, geboren zu werden, und sonst nichts“. Die Rachearie des Dottore Bartolo gegen den “birbo Figaro“, der - Vorgeschichte bei Rossini - diesem sein Mündel Rosina, die Gräfin, für seinen Herrn, den Grafen, abspenstig machte, erlaubte Werner Pürling (auch in der Rolle des Gärtners zu hören und gleich so zu sehen) in einer typischen Bravourarie mit “presto parlando und canto sillabato“ zu glänzen, wobei die sängerische Silbenbeschleunigung auf Deutsch erheblich anstrengender gewesen sein dürfte als im originalen italienischen Text. Es gelang hier, aus einer Nebenrolle für Minuten eine Mittelpunktsfigur zu machen. Das musikalische Gefecht im Duett, voll ironischer Höflichkeit und malefiziöser Eleganz, das zwischen gekränkter Marcellina, die hier aber attraktiv und keine “komische Alte” gewesen wäre, und einer spitzbübischen Susanna, die schließlich komödiengerecht zu Schwiegermutter und Schwiegertochter mutierten, hätte stattfinden können, entfiel in dieser Inszenierung bedauerlicherweise. Wie üblich mussten Marcellina (Sarah Alexandra Hudarew) und Holger Ries als Musikmeister Basilio (und Richter Don Curzio) auf die von Mozart auch ihnen zugedachten Arien verzichten, in denen sie ihr sängerisches Können noch ohrenfälliger hätten präsentieren können, wie es etwa Maria Messner als Gärtnertochter Bärbchen (Barbarina) mit ihrer Cavatina "Unglücksel´ge, kleine Nadel" gelang. Sie spielte dazu noch als frühreifes Früchtchen und, wie angekündigt, als eine Art von Cheerleader (Beifall-Anführerin und anfeuernde Sportlerin) eine Rolle. Ob es ihre Wunschrolle war? Die vom Publikum immer heiß geliebten Arietten "Non so più cosa son, cosa faccio - Ich weiß nicht, was ich bin, was ich mache" und "Voi che sapete che cosa è amor - Euch, holde Frauen, die Lieb´ ihr kennt" (Canzonetta) des pubertär in alle Frauen verliebten Pagen Cherubino, dargestellt von Eva Marti, wurden vom Publikum entsprechend gefeiert. Die Action-Begeisterung der Regie erreichte auch die erste Ariette Cherubinos, indem diesen nach und nach eine Schar schmusender Frauen (Festspielchor) umgaben, um seinen Charakter als “bien-aimé - Vielgeliebten” in Alp- oder Wunschtraum zu verbildlichen, obwohl der Text und die singspielerisch hinreißend agierende Darstellerin dazu genügt hätten. Die mit geringen Mitteln von Schrank (Sessel) und Decke, urkomische Szene, in welcher der Graf erzählt, wie er den Pagen bei der Gärtnertochter Barbarina entdeckte, was sich auf die gleiche Weise in Susannas Zimmer nun wieder abspielte, wurde auch hier, wenn auch nicht ganz gelingend, eine Erfolgs- und Komiknummer für alle, seien es “Vorwissende” oder die Szene zum ersten Mal Erlebende.
Die den ersten Akt beschließende spöttische Arie “Non più andrai, farfallone amoroso, notte e giorno d´intorno girando – Du wirst nicht mehr, verliebter Schmetterling, Tag und Nacht herumschwirren”, in der Figaro dem wegen seiner Liebeleien mit Militärdienst zu bestrafenden Pagen satirisch komisch sozusagen den Marsch bläst, gelang musikalisch exzellent. Diese berühmteste Arie der Oper mit ihrer ironischen Militärmusik wurde ein gefeierter Arien- und Aktschluss mit Pauken, Hörnern und Trompeten. Doch machte auch hier der Action-Regie nicht Halt. Ausgehend davon, dass bei diesen Großarien die Schauspieler nicht nur singen und herumstehen sollten, misshandelte Figaro geradezu den straffälligen Pagen mit Fessel, Knebel, Schlägen. Das aus der medizinischen Therapie eigentlich stammende Prinzip "Ut aliquid fiat - Damit überhaupt etwa geschehe” war bei der hier waltenden Action-Vorstellung wohl übertrieben ausgeübt.
Dagegen erfreute das Publikum die wohl schönste musikalische Flirtszene der Opernmusik, das Duetto Susanna und Graf (Kai Preußker), in der dieser durchaus nicht als erotomanischer Feudalherr auftritt, sondern attraktiv verführerisch. Die singschauspielerisch begabte Susanna (Xenia von Randow), die in der Oper eine Hauptrolle spielt, so dass schon von “Le Nozze di Susanna” als wahrem Operntitel gesprochen wurde, wusste des Grafen Avancen immer souverän in einem köstlichen si-no/ja-nein-Spiel zu begegnen, das die Darsteller gekonnt und mit sichtlich eigenem Vergnügen vollführten. Susanna hatte einen weiteren großen Erfolg mit ihrer "Rosenarie : O säume nicht" (letzter Akt), bei deren nobler Melodie von “restloser Schönheit“ die Sängerin in die gleichmäßige Gesangslinie Ausdrucksnuancen einzuflechten wusste.
Nach dem Flirt flüstert Susanna Figaro zu, dass der Erfolg in ihrer Sache nun sicher sei. Der Graf glaubt sich hintergangen, steigert sich in Rachefantasien gegen Figaro, weil er vor Liebe schmachte, während ein Diener genieße. Seinen Seelenzustand malten ein wuchtiges Maestoso-Orchesterrezitativ und seine “Rachearie” mit aufgeregten Figuren des Orchesters, ein glanzvolles Stück für Kai Preußker. Dass der Graf auf ein “ius primae noctis - Recht auf die erste Nacht” - gerade verzichtet habe, was Beaumarchais seinem Grafen angedichtet hatte und das offensichtlich nie ein ordentliches, gewissermaßen juristisches feudales Anrecht gewesen ist, weist übrigens auch schon auf eine nicht inhumane Gestalt hin. Beim heutigen Kenntnisstand darüber hätten Beaumarchais und Mozarts Librettist Lorenzo da Ponte den Punkt vielleicht gar nicht mehr einführen sollen, da nicht unbegründet das angebliche Anrecht oder Brauchtum teilweise als Fehldeutung dasteht. Das französische Pendant dazu “droit de cuissage” - Recht auf den Schenkel, Hüfte, Lende bzw. Keule (lat. coxa) könnte durchaus ganz unerotisch auch auf die Bratenkeule (Hochzeitsbraten) sich bezogen haben, von dem am Hochzeitstag ans Herrenschloss abgegeben wurde (u.a. Alain Boureau: “Le droit de cuissage. La fabrication d’un mythe”, Paris 1995). Die genannten Verhältnisse könnte man eher heute erleben, wenn man entsprechende Berichte über Sitten in Hollywood oder in der Modebranche liest - Stichwort #metoo.

Da die Oper recht shakespearisch Komik und Tragik vereint, komponierte Mozart für die Gräfin, die der Graf einst mit so viel Mühe für sich gewonnen hatte (vgl. Rossinis Barbier von Sevilla - 1858 - als Vorgeschichte), zwei empfindsame Arien. Die Kavatine “Porgi Amor” mit der Bitte um Trost für ihr Leiden ist ein lyrisch feines, schwermütiges Lied, ganz gegensätzlich zur Lustspielkomik des ersten Akts. In der zweiten, großen Arie "Dove sono i bei momenti - Wo sind die schönen Augenblicke", die nun nicht mehr sind, beklagt die Gräfin die Untreue des Gatten und das Ende von Liebesglück mit ausdrucksvoller Mozart-Melodik. Sonja Maria Westermann, übrigens Abiturientin 2002 des Eberbacher Hohenstaufen-Gymnasiums, wusste, mit großem Ton aufwartend und beeindruckender Bühnenpräsenz, Vereinsamung und trauernde Selbstreflexion, in der zweiten auch Hoffnungsschimmer, einfühlsam auszudrücken, ging es doch um "Abschied-Nehmen von jungmädchenhaft übersteigerter Liebessehnsucht", aber auch um die Liebe zum Grafen trotz allem. Die Sängerin erschien so nicht als resignierend enttäuschte Liebeskummergräfin, sondern eher als zielstrebige Partnerin. Auch hier bleibt der Einwand, dass aktionistisches Beiwerk (szenisch, ballettartig, akrobatisch, turnerisch) das musikalische Erleben eher störe als fördere.
Das “dramma giocoso“ musste zum Ende kommen, zumal das Haupthindernis zu Susannas Heirat, das ominöse Heiratsversprechen Figaros an Marcellina sich überraschend auflöste, indem sich, beweisbar durch ein Armzeichen, Figaro als Marcellinas einst geraubter Sohn von Dottore Bartolo mit Namen Raffaelo erwies - ein bewährter, klärender Operntrick, dessen Komik die Sänger ebenso gern und gut ausspielten, wie das Publikum ihn genoss.
Schmerz, Enttäuschung, kompliziertes Wirr- und Verwirrspiel hatten sich genügend angehäuft. Aber einen Gedanken zu glücklicher Wendung gab es doch, dass nämlich Treue zwar ein hoher Wert sei, aber einen noch höheren Wert die Liebe habe, denn sie kenne das Verzeihen, ein Gedanke, der Mozart später in “Così fan tutte” (1790) beschäftigte, woran Basilio hier vorausahnend mit dem Satz "Così fan tutte belle - So machen´ alle Schönen“ (Akt I, Nr.7) erinnert. Den Umschwung zeigte dann die klangvoll und überzeugend vom Ensemble dargebotene und von Rainer Roos dirigierte Schlussszene, in der sich auch - ohne aktionistisches Beiwerk - die drei wunderbaren Übergangstakte von Flöten, Oboen und Streichquartett finden, von denen Richard Strauss meinte, wenn ihm doch nur einmal in einer Oper eine solche Überleitung geglückt wäre.

Den einsetzenden Lieto-fine-Jubel musizierten Festspielchor, Orchester, Sänger und Dirigent Rainer Roos, wie schon bislang, sicher, energisch und schwungvoll. Verdientermaßen also begeisterter, lang dauernder Beifall. Der Wunsch des Regisseurs, für junge Besucher "einen idealen Einstieg in die Welt der Oper" und fürs erfahrene Publikum "eine Erfrischung" geboten zu haben, dürfte sich erfüllen.
Weitere Vorstellungen von “Figaros Hochzeit” finden am heutigen Samstag und am morgigen Sonntag, 28. Juli, jeweils ab 20 Uhr auf Schloss Zwingenberg, statt.

Infos im Internet:
www.schlossfestspiele-zwingenberg.de


27.07.19

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