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Nachrichten > Kultur und Bildung

Umjubelte konzertante Aufführung der Orff-Kantate

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(Foto: Hubert Richter)

(hr) (khm) Im komplett ausverkauften Saal der Stadthalle gab es am Donnerstagabend, 30. Mai, eine beeindruckende und vom Publikum bejubelte Aufführung der Kantate “Carmina Burana” von Carl Orff mit zahlreichen Eberbacher Mitwirkenden.

“Carmina Burana” gilt als schönste Frucht von Carl Orffs (1895-1982) kompositorischer Arbeit. Orff hatte deren 24 Lieder ausgewählt aus dem Codex Buranus Monacensis, einer Sammlung von 228 Gedichten mittellateinischer Lyrik mit mittelhochdeutschen und altfranzösischen Einsprengseln. Das 1937 in der Frankfurter Oper uraufgeführte Stück, zunächst noch angegriffen als "Rückfall in die Primitivität", bei dem man sich ein "entnervendes Einhämmern kunstlosester Phrasen" anhören müsse, wurde ein Welterfolg, vielleicht wegen der scheinbar einfachen musikalischen Strukturen und der dennoch stärksten musikalischen Ausdrucksfähigkeit. Tatsächlich arbeitet Orff mit einfachen Praktiken wie Orgelklangunterlegungen, ostinaten Ton- und Textwiederholungen, Staccato mit folgenden Legato-Wellen, motorischer und formelhafter Begleitung, verwandelt dies aber hinreißend in eine neue Musiksprache. Auch die Qualitäten der lateinischen Sprache der meisten Gedichte kamen Orff sehr entgegen wegen Kürze und Prägnanz, Vokalreichtum und sprachrhythmischem Schwung.

Die Eberbacher Aufführung der Kantate am Himmelfahrtstag, ausgerichtet von den beiden noch durch Projektsänger verstärkten evangelischen und katholischen Kantorei-Chören sowie dem Jugendchor “Voices of Heaven”, erwies sich als Volltreffer. Dabei handelte es sich nicht um die szenische Variante mit Orchester, Ballett und Bühnenbild (im Juni in Mannheim zu sehen), sondern um die konzertante mit Chören, Solisten, Klavierduo, Schlagzeug und Pauken, eine Aufführungspraxis (Wilhelm Killmayer, Mainz 1956), die die Eindringlichkeit des Werks offensichtlich nicht mindert. Jedenfalls hatten die beiden Kantoren Achim Plagge und Severin Zöhrer (Einstudierung und Leitung) eine glückliche Hand mit der Wahl des Werks. Wenn man nun nach dem gebliebenen Erfolgsgrund fragt, so ist es wohl das künstlerische Prinzip der "doppelten Optik", die Nietzsche als Garant des Publikumserfolgs ansah, mit ihrem Mit- und Nebeneinander von artifizieller und populärer Musiksprache. Dabei verstanden die beiden Dirigenten, die Chöre zu einer beachtlichen musikalischen Leistung zu motivieren, wobei die Leitung sicher und präzis abwechselnd den beiden Kantoren Zöhrer und Plagge oblag. Zu den Chören traten Katharina Leyhe (Sopran), Christopher Kaplan (Tenor) und Thomas Berau (Bariton) sowie das Klavierduo Richard und Valentin Humburger sowie ein Schlagzeug-Ensemble um Marc Strobel. Diese hatten schon zu Anfang des Konzerts Proben ihres Könnens gegeben. Das Schlagzeug-Trio Justin Auer, Elija Kaufmann und Pirmin Hofmann mit dem Vortrag des “Trio per uno” (für Percussionstrio 1995/1999) des zeitgenössischen tschechischen Komponisten Nebojša Živkoviæ lieferte ein wahrhaft virtuoses Feuerwerk mit variierten Tempi, abgestufter Dynamik und Scheinschlüssen. Das Klavier-Duo beeindruckte mit der glanzvollen Wiedergabe der hochvirtuosen "Valse" Ravels (1920). Dieser ”Walzer”, eigentlich eine sinfonische Dichtung/Choreographie, hier in Ravels Duo-Fassung, konnte nicht wie ein walzerseliges Stück klingen, zumal im ersten Weltkrieg komponiert und mit geradezu unheimlichem Beginn und Schluss. Deutlich erfuhr man auch hier, wie Ravel "die Verbindung des Urtümlichen mit dem Neuen/Modernen" anstrebte.

Bedauerlich war, dass die literarisch hochstehende, sogar die mittelalterliche Metrik beachtende Nachdichtung (1953) der Orffschen Auswahl durch den bekannten Tübinger Altphilologen und Übersetzer Wolfgang Schadewaldt (1900-74) ersetzt war durch die Prosaübersetzung von Konrad Vollmann (1933-2012), Mediävist an der Universität. München. Vollmann verwendete in seinem 1495-seitigen Standardwerk (1987) über sämtliche Gedichte des Codex Buranus in seinen Übersetzungen auch andere Lesarten als bislang üblich. Aber auch hier gelte der Vorrang der Folgen vor den anzunehmenden, gut gemeinten Absichten. Es ist schlicht unmöglich, unveränderlich gewordenen Gesangstexten abgeänderte Übersetzungen gegenüberzustellen, ohne auch diese Texte zu ändern. So finden sich im ansehnlichen Programmheft neben Bagatellen fünf Stellen aus den 24 Gedichten, bei denen die vorliegenden lateinischen Texte mit den beigegebenen Übersetzungen Vollmanns nicht übereinstimmen: 4,23-24 - 10,4 - 11,5-6 - 15,1-4 - 19,5-6. Im Letzteren z. B ist dem "pariter e medio / propulso procul t(a)edio - Und ist (aus der Mitte) zwischen beiden alle Scham / gleicherweise abgetan" (Schadewaldt) unüberlegt und unpassend als Übersetzung zugesetzt: "und durch das gleiche Heilmittel (wird) jede Abneigung ferngehalten", was die Übersetzung zu Vollmanns Textvariante: "pari remedio / propulso procul t(a)edio" ist. “Remedium” meint bei Vollmann “Liebesvereinigung”.

Orff gliederte seine Textauswahl in drei Themenkreise: den Teil “Primo vere - Frühlingsbeginn” mit Liedern über Frühlingsanfang und erwachende Liebe, den Teil mit Gesängen zum Thema “In taberna - In der Schenke” mit den Themen "Wein, (Fr)essen und sinnliche Liebe" und den letzten Abschnitt “Cour d´ amours - Hof der Liebesfreuden” mit französischem Titel, der schon auf Troubadours / Minnesänger verweist. Geschildert sind also verschiedene Arten der Liebe von der sehnsüchtigen, schmachtenden bis hin zur verführerischen Erotik, was in vielen Gedichten freimütig thematisiert ist. So wurde das Gedicht (19) "Si puer cum puellula moraretur in cellula - Wenn Knabe und Mägdelein verweilten im Kämmerlein" vom Männerquintett a cappella, mit allegro buffo bezeichnet, solistisch und chorisch witzig ausgeführt. Der unverblümt geschilderte, erotische Inhalt wurde schon in mittelalterlichen Dekretalen so umschrieben: "Solus cum sola non praesumitur orare Pater noster - Wenn einer allein mit einer allein (zusammen) ist, wird nicht angenommen, dass sie das Vaterunser beten". Dieser Teil “Cour d´ amours” endet mit einer triumphalen Hymne (24) (achte Strophe von 33 eines Liebesdialogs) "Ave formosissima gemma pretiosa - Sei gegrüßt , schönste, wertvolle Perle" an die “Venus generosa - die edle Liebesgöttin” sowie an “Helena” und “Blanziflor /Blanchefleur”, Symbolfiguren für Frauenschönheit und bedingungslose Liebe in Antike und Mittelalter. Die geradezu religiöse, hymnische Lobpreisung (Aretalogie) ist aus der Marienhymnik entnommen, nur dass am Schluss nicht steht "Du bist Maria", sondern die drei Genannten. Dass das blasphemisch sein könne, kümmerte den Dichter nicht. Der Chor und Instrumente musizierten ebenfalls unbekümmert jubelnd und klangprächtig, wie es sich für den inhaltlichen Zielpunkt der Kantate gehörte.
Die ganze Kantate mit den Szenen (Frühlingsidyll, Kneipenleben, Liebesfreuden) wird von dem mächtigen Chor “Fortuna velut luna statu variabilis - Das Geschick wie der Mond, im Zustand wandelbar” (1 und 25) umrahmt. Er veranschaulicht unverdrossen in Form eines “planctus” (Klage) oder “lamentos”, dass Fortuna die Weltherrscherin ist, dass vor der dunklen Folie des launischen Geschicks doch diesseitige Lebensfreude und Sinnlichkeit besonders erglänzt. Der Chor und Instrumente hämmerten scharf akzentuierend die einfachen Formeln des Stücks mit seinem ostinaten (sich ständig wiederholenden) Rhythmus ein, und es wundert nicht, dass diese zu den einprägsamsten und jederzeit an Orff erinnernden musikalischen Motiven geworden sind.
Im folgenden "Fortun(a)e plango vulnera - Der Fortuna Wunden beklage ich " sang der Chor mit Metaphern und dem Bild vom Glücks- und Schicksalsrad und seinen Phasen Aufstieg, Höhe, Sturz, Vernichtung tapfer und unbeeindruckt dessen leichtfertige Unbeständigkeit und launische Unbarmherzigkeit.

Glanzpartien in der Kantate sind die Gesangsrollen, die von Katharina Leyhe (Sopran) sowie Christopher Kaplan (Tenor) und Thomas Berau (Bariton) klangvoll, dramatisch, auch parodistisch gesungen wurden. So gefielen wie immer die opernhaften und ironisch-parodistischen Lieder der Männerstimmen. Den zweiten Teil "In taberna - In der Schenke" - nicht ohne Absicht nur für Männerstimmen - eröffneten fünf der 25 Strophen der berühmten “Confessio - (Vaganten)beichte” des Archipoeta: “Aestuans interius ira vehementi - Glühend in mir von heftigem Zorn" (11). Der berühmteste "Erzdichter", namentlich unbekannt, stand 1162-65 im Dienste Rainalds von Dassels, des Kölner Erzbischofs und Kanzlers Kaiser Friedrich Barbarossas. Orff wählte Verse, in denen dieser trotz Reue, ironisch augenzwinkernd, sich zum Lebensgenuss angesichts von Vergänglichkeit bekennt. Den bekanntesten Vers daraus (Str.12) "Meum est propositum in taberna mori - Mein Wille ist, in der Schenke zu sterben" hat Orff allerdings nicht gewählt. Das Lied klingt nach einer pathetischen italienischen Opernarie. Orff spöttelte selbst, es sei ein "Verdi-Reißer", und Thomas Berau (Bariton) glänzte hier wie ein Caruso-Imitator mit dem wildjagenden Rhythmus samt den freien Espressivo-Stellen, mit Deklamation und leidenschaftlichem Arioso.
Es folgte die Tenor-Arie mit Chor vom Schwan (12), der einst einen See bewohnte und nun arg geröstet in einer Pfanne schmorte. Dieses “Bratenlied” zu einem Festessen - der Refrain war wohl zum Mitsingen für die Tafelrunde gedacht - wurde von Christopher Kaplan mit chromatisch jammernder Fisteltenor-Arie eindrucksvoll zum Ausdruck schmerzlicher Gefühle vorgetragen - vielleicht mit dem Gedanken an die virtuelle Tierqual. Die Szenerie ist doch mit parodistischem Hintergrund so eingerichtet, dass der gebratene Schwan hergebracht wird und man sich dessen letzte Gedanken, den “Schwanengesang vor dem Tod” (vgl. Platons Phaidon über die letzten Worte des Sokrates vor seinem Tode) vorstellen kann.
Das Klosterspottlied (13) "Ego sum abbas Cucaniensis - Ich bin Abt von Cucanien (Schlaraffenland)" geriet zum heiter theatralischen Auftritt des Baritons Thomas Berau zusammen mit Männerchor mit seinem psalmodierenden Lied an seinen Säufer- und Würfelspielerkonvent samt deren Schutzheiligen Decius (den Würfler: lt. datum - das Hingegebene, Hingeworfene, afz det, nfrz le dé - Würfel).
Attacca schloss sich an das ausgedehnte Finale (sieben Strophen) des Abschnitts “In Taberna” mit dem bezeichnenden Liedtitel "In taberna quando sumus, non curamus, quid sit humus - In der Schenke wenn wir sind, kümmern wir uns nicht um (Grabes)erde" (14). Dieses Trinklied, eine “Apotheose der Maßlosigkeit”, wurde zuerst ein-, dann zwei- und schließlich dreistimmig gesungen. Seine hastende, sich überstürzende, rhythmisch getriebene Musik bildete plastisch den Textinhalt mit ab, z.B. durch das anaphorische (sich wiederholende) "bibit, bibunt ... es trinkt, es trinken eben alle", das den Kerngedanken des Lieds prägnant komprimiert. Auch hier ist die Anlehnung an die Musiksprache der italienischen Oper und ihre Bravourarien sowie auch deren Parodierung mit “presto parlando” und “canto sillabato” (schnellem Sprech- und Silbengesang) unüberhörbar. Orff schrieb selbstironisch, es sei "Rossini-Opernfinalchor übelster Art". Chor und Dirigent aber gefielen sich dabei und steuerten die gewiss nicht geringen sängerischen Anforderungen zum Beifall des Publikums.

Zum Schluss noch ein Wort zu dem reiz- und stimmungsvollen Liebeslied für Sopransolo "Amor volat undique - Liebe flieget überall" (15) mit dem Jugendchor “Voices of Heaven” , das nach den derben Trink- und Fressliedern zu den feineren Gedichten aus dem dritten und letzten Kantatenteil “Cour d´amours - Hof der Liebe(sfreude)n” gehört und ihn eröffnet: Es lebte von dem gut gelungenen Kontrast zwischen den hellen Jugendchorstimmen und der Sopranstimme von Katharina Leyhe, zu der Orff anweist “flebile, fingendo l´ innocenza - weinerlich, Unschuld vorgebend”, die so Schmerz einer Liebeserfahrenen, aber Verlassenen ausdrückte. Die Sopranistin hatte zudem öfter Gelegenheit, im Stil italienischer Arien zu beeindrucken: klangschwelgerisch bei “In trutina mentis dubia - Auf der zweifelnden Verstandeswaage” (21) oder ganz im Stil der “grande opéra” mit Koloratur und Kadenz im kurzen “Dulcissime - Du Süßester” (23).

Nach dem Kantaten-Ende mit dem wiederholten Fortuna-Chor dankte ein nicht enden wollender Beifall samt Blumengebinden den Solisten, Instrumentalisten, Choristen, Dirigenten und allen, die zum Gelingen der Aufführung beigetragen hatten.

01.06.19

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